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Rettet den Journalismus!

  • Publié le 15.04.2021

Präsident Tom Oberweis und Generaldirektor Tom Wirion von der Chambre des Métiers plagen ernsthafte Sorgen um die Medienwelt – genauer gesagt: um den Status der Presse im Allgemeinen, um den Berufsstand des Journalisten im Speziellen und darüber, wer sich hinter den derzeit stattfindenden Veränderungen verbirgt.


Luxemburgs soziokultureller Radiosender, das radio 100,7, soll reformiert werden. Den entsprechenden Gesetzesentwurf dazu hat die Regierung Ende letzten Jahres vorgelegt. Laut Entwurf soll der rechtliche Rahmen des Senders angepasst werden. Das soziokulturelle Radio wird zum "Média de service public 100,7". So will der Staat den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Luxemburg stärken (weitere Infos hierzu finden Sie auf der Internetseite der Regierung).

Warum Reformen?

Wieso nun diese zusätzliche Stärkung? Was passiert denn gerade in der Medienwelt? Hierfür müssen wir uns die sogenannten modernen, demokratischen und pluralistischen Gesellschaften genauer ansehen. Doch vorab noch ein Hinweis in eigener Sache: Dies ist ausdrücklich kein Manifest gegen die Neuen Medien, wir alle nutzen sie und profitieren in gewisser Weise von ihnen. Dies ist ein Augenzeugenbericht über die aktuelle Schieflage in der Definition und Gewichtung von Journalismus.

Wie ist also unsere Gesellschaft aufgebaut? Sie basiert auf der Trennung von drei institutionellen und offiziellen Gewalten – der Legislative, der Exekutive und der Judikative. Im Laufe der Zeit hat sich zu diesen drei eine vierte "inoffizielle" Macht hinzugesellt: die Presse. Sie bedient sich schriftlicher, audiovisueller und elektronischer Medien und ist mittlerweile ein zentrales Glied im öffentlichen und politischen Leben. So viel zur Historie.

Heute erscheint die Presse zunehmend als geschwächte Größe dieses Kräfteverhältnisses. Denn die Medienwelt befindet sich in einem gewaltigen Umstrukturierungs- und Reorganisationsprozess: Die technologischen und wirtschaftlichen Barrieren, um am heiß umkämpften Informationsmarkt teilzunehmen, schwinden.

Auslöser dieser Umwälzungsproblematik sind nicht zuletzt die Neuen Medien. Mit ihnen treten neue Akteure auf den Platz, die sich zur Verbreitung ihrer Informationen das Internet zu Nutze machen und hier vor allem die sozialen Medien. Sie überholen damit die traditionellen Akteure und schaden damit dem Ansehen und der Glaubwürdigkeit der etablierten Presse und dem journalistischen "Establishment".

Zusammengefasst: Die Social Media erschüttern das traditionelle Gleichgewicht. Die Medienlandschaft befindet sich in einem deutlich verschärften Wettbewerb und steht unter einem nie dagewesenen Druck.

Die elektronischen Medien läuten das Ende einer Ära ein. Die Produktion, Verarbeitung und Verbreitung von Informationen werden "demokratisiert". Das ist zunächst ein praktischer und hilfreicher Zugewinn – und bedeutet gleichzeitig eine undurchschaubare Menge an Informationen aus mehr oder weniger ersichtlichen und zuverlässigen Quellen.

Einige der neuen Medienmitspieler liefern unter dem Schleier des Journalismus Inhalte, die im klaren Widerspruch zur Ethik, Unabhängigkeit und Professionalität der Branche stehen. Akteure in den sozialen Medien versorgen ihre Nutzer bisweilen mit sogenannten Fake News, mit falschen oder zumindest subjektiven und ungefilterten Informationen. Daneben engagieren Unternehmen, Berufsverbände, politische Parteien und andere Gremien bzw. Institutionen immer mehr hausinterne Mitarbeiter mit journalistischem Profil und werden so selbst zu Medienakteuren (die Chambre des Métiers stellt hierbei keine Ausnahme dar). Diese Akteure erschaffen zusammen eine Medienwelt, die komplementär und parallel zur traditionellen Medienlandschaft existiert. Sie scheinen die Journalisten, zumindest teilweise, abzulösen und setzen voraus, dass der Nutzer den Unterschied zwischen „echtem“ und „falschem“ Journalismus erkennt.

Professioneller Journalismus und journalistische Professionalität weichen einer neuen Form von Pseudo-Journalismus

Die Aufgabe des Journalismus ist es, zu recherchieren, zu filtern, aufzudecken und Informationen in einen historischen, politischen, wirtschaftlichen, sozialen oder kulturellen Kontext zu stellen. Die „Berufung“ von Journalisten sollte es sein, die erhaltenen und etablierten Ordnungen und Wahrheiten zu stören und zu hinterfragen.

Doch wie steht es derzeit um diesen Berufsstand? Nachrichtenorganisationen und traditionelle Medien verkümmern zunehmend zu einer Plattform für die Streuung von Informationen, die von anderen Akteuren erstellt werden. Sichtbar wird diese Entwicklung an den unzähligen Advertorials, gesponserten Inhalten, Kolumnen und Rubriken, die für externe Kommentatoren reserviert sind. Die Folgen für die Presse sind bereits spürbar: Tätigkeiten, die früher professionellen Journalisten vorbehalten waren, werden verwässert. Professioneller Journalismus und journalistische Professionalität weichen dem Klientelismus, dem Dilettantismus und sogar einem latenten Populismus. Der Berufsstand des Journalismus ist tief betroffen und gestört.

Traditionelle Medien kaum mehr überlebensfähig

Auch die Finanzströme ändern sich: Traditionelle Medien werden aus finanzieller Sicht immer weniger profitabel, ihre wirtschaftliche Lebensfähigkeit steht auf dem Spiel. Die Selbstfinanzierung weicht der Subventionierung, die Autonomie der Presse und die intellektuelle und berufliche Unabhängigkeit der Journalisten werden zu einer Fiktion. Kurz: Die Presse, die Medien und die Journalisten sind der intellektuellen Bevormundung oder dem schlichten Wohlwollen von Kapital- und Geldgebern ausgeliefert.