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„Jetzt bewerben!“ - Viele Unternehmen suchen noch Lehrlinge

  • Publié le 12.11.2020

In dieser Woche findet europaweit die „Europäische Woche der beruflichen Qualifizierung“ (EU Vocational Skills week) statt. Aus diesem Anlass war sogar EU-Kommissar Nicolas Schmit nach Luxemburg gekommen, um gemeinsam mit Bildungsminister Claude Meisch und der Handwerkskammer sowie weiteren Berufskammern die Trommel für Lehrstellen zu rühren. Denn die gibt es durchaus – und dank einer Änderung durch die Regierung sind auch noch Bewerbungen bis Jahresende möglich. Wir haben Tom Wirion, Generaldirektor der Handwerkskammer, zu den Einzelheiten befragt.


Herr Wirion, alle reden über Arbeitslosigkeit – und das Handwerk sucht Lehrlinge?

Tom Wirion Es gibt tatsächlich noch eine ganze Reihe von Betrieben, die Lehrstellen besetzen wollen. Daher müssen wir die jungen Leute jetzt dazu bewegen, sich zu bewerben. Aktuell ist die Situation so, dass die Zahl der Lehrstellen, die die Unternehmen deklarieren, 2020 sogar höher ist als 2019. Trotz der Krise haben die Unternehmen also Lehrstellen ausgeschrieben. Das ist sehr positiv. Wir haben anfangs Sorgen gehabt, ob es genug Lehrstellen geben würde und freuen uns natürlich sehr über diese Entwicklung.

Warum sind Bewerbungen überhaupt noch möglich? Normalerweise ist die Frist abgelaufen.

Wirion Bei den Lehrlingen haben wir weniger Kandidaten und damit auch weniger Verträge, die ausgestellt werden konnten. Die Regierung hat daher beschlossen, dass man in diesem Jahr bis 31.12.2020 Verträge abschließen kann. Das ist wirklich positiv. Normalerweise ist bereits einen Monat früher Schluss. Wir hoffen natürlich, dass sich jetzt noch junge Leute melden. Denn wir haben wirklich noch viele Stellen freie. Im November waren es laut ADEM noch 911 offenen Stellen und bei den Kandidaten lag die Zahl nur bei 652. Da sieht man, dass es noch über 200 freie Stellen gibt.

Wie kommt es, dass trotz der Krise so viele Stellen offen sind?

Wirion Wir hatten angesichts der Lage bei den Unternehmen Sorgen, welchen Effekt das auf die Lehrstellen haben würde. Was wirklich geholfen hat, ist, dass jene Betriebe, die viel ausbilden, an andere Unternehmen  appelliert haben, Ausbildungsplätze bereit zu stellen. Dafür braucht ein Betrieb einen Ausbilder. Diese Ausbildung haben wir als Kammer gratis angeboten. Unsere Kurse sind alle voll. Ein weiterer Anreiz ist, dass die Regierung die Betriebe nicht allein lässt und eine einmalige Prämie für Ausbildungsbetriebe zahlt. Das ist eine klare politische Botschaft, dass jeder mitanpacken kann und soll. Das Handwerk hat eine lange Tradition hier und wir sind froh zu sehen, dass sie hier präsent sind Verantwortung übernehmen. In diesem Jahr gibt es weniger Stellen in Bereichen wir Friseur- und Kosmetikhandwerk. Im Bausektor hingegen waren es mehr als in den Vorjahren. So wirkt sich die Coronakrise auch hier aus. Gesucht werden außerdem Schreiner, Dachdecker, Fliesenleger oder Autospengler.

Warum bewerben sich weniger Jugendliche?

Wirion Eine Erklärung, warum sich weniger Jugendliche melden, ist, dass der Schulbetrieb sehr unregelmäßig lief. Das hatte auch einen Einfluss auf feste Termine, die mit der Berufsorientierung im Zusammenhang stehen. Diese Orientation findet normalerweise zwischen Februar und Juni  statt und zwar sehr aktiv. Das ging wegen Corona in diesem Jahr nicht. Auch die Orientierungspraktika haben nicht stattgefunden, so dass Betriebe und Berufe weniger bekannt sind. Und schließlich gab es die Lehrstellentage nur virtuell - und damit hatten sie nicht den gleichen Erfolg.

Was muss ein junger Mensch tun, der sich für eine Lehre interessiert?

Wirion Man kann sich beim Service d´Orientation, also der Berufsorientierung der Adem melden oder aber auch direkt hier bei uns in der Handwerkskammer. Dafür gibt es eine spezielle Telefonnummer.

Wie versuchen Sie, genügend Kandidaten zu finden?

Wirion Diese Woche findet ja die European Vocational Skills Week statt. Die Idee war im Grunde, in die Unternehmen zu gehen und dort zu zeigen, welche Möglichkeiten es gibt. Aber auch das findet jetzt nur digital statt – immerhin mit EU-Kommissar Nicolas Schmit und Bildungsminister Claude Meisch, die sich beide sehr dafür einsetzen. Wir werden aber noch mit der Handelskammer, der „Chambre des salariés“ und der Landwirtschaftskammer versuchen, potenzielle Kandidaten über die sozialen Netzwerke zu erreichen. Wir arbeiten mit einem dualem Ansatz, daher bleibt weiter Kontakt zur Schule erhalten. Das ist für viele junge Leute wichtig, wie wir wissen.

Und wenn das nicht klappt?

Wirion Wenn das nicht klappt, gibt es zwei Verlierer: Die Unternehmen und die jungen Leute. Daher ist es für beide Seiten wichtig, dass es etwas wird.